Auxilia erleidet Prozessschlappe nach Abwehrdeckung im Allergankomplex, LG Hildesheim, 3 O 407/24
Die Versicherungsnehmerin der Auxilia Rechtsschutzversicherung ließ sich im Dezember 2018 Brustimplantate der Firma Allergan einsetzen, die im Verdacht stehen, die aggressive Karzinomart ALCL auszulösen. Zertifiziert wurden diese Implantate von der Firma LNE/G-MED mit Sitz in Paris. Ihr wird vorgeworfen, die Implantate trotz Kenntnis der Karzinomgefahr in der Fachwelt seit 2011 noch bis Ende 2018 mit dem CE-Gütesiegel zertifiziert zu haben und damit eine Vielzahl von Implantatsträgerinnen dem Risiko einer Karzinomerkrankung ausgesetzt zu haben.
Die Prozessvertreter der Patientin wandten sich daraufhin an die Auxilia, die Rechtsschutzversicherung der Patientin, mit der Bitte, Deckungsschutz für das Vorgehen gegen den Zertifizierer zu erteilen. Trotz umfangreichen Schriftverkehrs weigerte sich die Auxilia, dem Begehren nachzukommen, sondern erteilte stattdessen der Versicherungsnehmerin eine sogenannte „Abwehrdeckung“, sollte sie eine Honorarrechnung ihrer Anwälte erhalten. Mit anderen Worten: Sie müsse sich auf die Zahlung des begehrten Honorars verklagen lassen, was sodann auch geschah.
Verfahren:
Das Landgericht Hildesheim machte „kurzen Prozess“. Im anberaumten Gütetermin stellte der Vorsitzende heraus, dass das Gericht überhaupt keine Bedenken an der Zahlungsverpflichtung habe. Die der Versicherungsnehmerin übermittelte Honorarrechnung sei einwandfrei, fällig, und insbesondere liege keine, wie vom Beklagtenvertreter vorgetragene, „unwirksame Honorarvereinbarung“ vor.
Es käme auch nicht darauf an, dass noch keine „Schätzung der Gesamtkosten“ für die Vertretung erfolgt sei, wenn diese Angabe gar nicht erfolgen kann. Die Klage ist daher begründet, und die Auxilia hat aufgrund der erteilten „Abwehrdeckung“ auch das begehrte Honorar zu zahlen.
Anmerkungen von Ciper & Coll.:
Bereits bei der Ladung hatte das Gericht den Hinweis erteilt, dass die Klage begründet sei. Die geltend gemachten Arbeitsstunden zu einem Stundensatz von 350,00 Euro unterlägen keinerlei Bedenken.
Äußerst bedenklich ist allerdings das Regulierungsverhalten der Auxilia Rechtsschutzversicherung: Diese hatte bereits im Parallelmandat gegen den Hersteller Allergan der Versicherungsnehmerin telefonisch unmissverständlich mitgeteilt, sie müsse nicht eintreten, weil der Rechtsschutzfall „vorvertraglich“ mit dem Einsetzen der Implantate entstanden sei. Damals war sie noch nicht bei der Auxilia versichert. Erst zwei Jahre nach dieser Falschbehauptung erfuhren die jetzigen Prozessvertreter von diesem vorgeschobenen Ablehnungsgrund, der rechtlich unhaltbar ist, zumal es nach der „Folgenereignistheorie“ vielmehr auf den Zeitpunkt der eingetretenen Schäden ankommt.
Die Auxilia betreibt sogar marktschreierisches Marketing in Broschüren, in denen sie sich entgegen anderer Mitbewerber an diese Theorie gebunden erklärt. Hiermit konfrontiert, knickte die Auxilia sofort ein und erteilte den Deckungsschutz mit dem Zusatz, die zweijährige Verzögerung „zu entschuldigen“. Es dürfte sich daher bei der vorsätzlich geäußerten Falschabsage um einen versuchten Betrug handeln, und da davon auszugehen ist, dass die Auxilia diese Aussage grundsätzlich mehreren Kundinnen gemacht hat, sogar um „gewerbsmäßigen Betrug“.
In Bezug auf das hiesige Verfahren ist noch darauf hinzuweisen, dass Rechtsschutzversicherer in Einzelfällen, so wie hier, ihren Kunden eine „Abwehrdeckung“ gewähren. Mit diesem Konstrukt wird der Anwalt gezwungen, seinen eigenen Mandanten zu verklagen, um seine ihm zustehenden Gebührenansprüche durchzusetzen. Eine Deckungsklage gegen den Versicherer ist dann formell nicht mehr möglich.
Ziel dieser Abwehrdeckung ist insbesondere, den Versicherungsnehmer gegen den eigenen Anwalt aufzubringen, in der Hoffnung, dieser möge das Mandatsverhältnis sodann aufkündigen – mit der Folge, dass der Versicherer einen eigenen „Vertragsanwalt“ involvieren kann oder der Kunde ganz einfach auf die Weiterverfolgung seiner Angelegenheit verzichtet.
Gelingt dies der Versicherung aber nicht, so wie hier, hat der Versicherer und damit auch die Versichertengemeinschaft nicht nur die Hauptsache zu regulieren, sondern muss auch noch sämtliche Kosten für den zu führenden Gebührenprozess tragen – so wie hier. Da helfen dann auch keine Rückrufe oder Anschreiben der Versicherung an den eigenen Kunden, um ihn doch noch „umzustimmen“, so Dr. D.C. Ciper, LL.M., Fachanwalt für Medizinrecht, Avocat au Barreau de Paris.