Medizinrecht – Arzthaftungsrecht – Behandlungsfehler: Keine Befundstellung trotz Vorliegens eines Mammakarzinoms
Sachverhalt:
Die Klägerin gab an, dass sie ihre Gynäkologin (Beklagte), bei der sie sich in langjähriger Behandlung befand, im Januar 2020 auf einen selbst ertasteten Knoten in ihrer rechten Brust hinwies. Die Beklagte tastete die Brust der Klägerin daraufhin ab, stellte jedoch keinen Befund fest. Als der Knoten drei Monate später deutlich größer geworden war, stellte sich die Klägerin erneut bei der Beklagten vor. Im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung diagnostizierte die Beklagte ein gutartiges Fibroadenom und überwies die Klägerin zur Radiologie, um Mammographieaufnahmen der rechten Brust durchführen zu lassen. Diese Aufnahmen zeigten jedoch, dass es sich um einen multizentrischen Brustkrebs mit einer Größe von 6 cm x 8 cm handelte. Der Beklagten wird vorgeworfen, im Januar 2020 behandlungsfehlerhaft keinen medizinischen Befund festgestellt zu haben.
Chronologie:
Das Landgericht Stuttgart ließ die Angelegenheit mittels eines fachgynäkologischen Sachverständigengutachtens überprüfen. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die mangelnde weitere Abklärung des von der Klägerin entdeckten Knotens in ihrer Brust einen groben Behandlungsfehler darstelle, sofern tatsächlich ein Hinweis der Klägerin auf das Vorliegen eines Knotens gegenüber der Beklagten erfolgt sei. Die Beklagte bestritt jedoch vehement, dass ein solcher Hinweis gegeben wurde.
Die Parteien einigten sich schließlich auf einen Vergleich: Die Beklagte zahlt der Klägerin einen Schmerzensgeldbetrag, über dessen konkrete Höhe Stillschweigen vereinbart wurde.
Anmerkungen von Ciper & Coll.:
Die Frage, ob bei der gynäkologischen Untersuchung im Januar 2020 tatsächlich ein Hinweis der Klägerin auf den Knoten in ihrer Brust erfolgt ist, stellt eine sogenannte anspruchsbegründende Tatsache dar. Der Klägerin obliegt diesbezüglich die volle Darlegungs- und Beweislast. Dieser Beweis konnte der Klägerin vorliegend nicht vollständig gelingen. Es ist grundsätzlich ratsam, dass Patienten Beweise sichern, etwa in Form von Tagebucheinträgen oder durch Einschaltung von Zeugen, um vor Gericht von höheren Beweischancen zu profitieren, erläutert Dr. D.C. Ciper, LL.M.