Medizinrecht – Arzthaftungsrecht – Behandlungsfehler: Nicht indizierte endoskopische Dekompression einer Spinalkanalstenose mit schwerem Verlauf, LG Frankfurt am Main, Az. 2-04 O 302/21
Chronologie:
Beim Kläger lag eine Spinalkanalstenose L4/5 mit Lumboischialgie L5/S1 beidseits und neurogener Claudicatio vor. Es kam zu einer endoskopischen interlaminären Dekompression L4/5 von rechts mit undercutting links in der Einrichtung der Beklagten zu 1) durch den Beklagten zu 2).
Bei dieser Operation verletzte der Beklagte zu 2) den Duralschlauch beim Kläger, so dass es zu einer Liquorfistel nach endoskopischer Dekompression einer Kanalspinalstenose in LWK 4/5 kam. Postoperativ hatte der Kläger erhebliche Schmerzen. Der Kläger stellte sich am 12.04.2021 beim Beklagten zu 2) in der Einrichtung der Beklagten zu 1) vor. Der Kläger erhielt eine Infiltration an beiden Iliosakralgelenken unter Bildwandlersicht. Der Kläger sollte mit Massagen und Wärmeanwendungen beginnen. Zusätzlich erhielt er ein Muskel relaxierendes Mittel (Mydocalm). Die Beschwerden besserten sich nicht. Bereits bei diesem Termin drei Wochen nach der OP hätte der Beklagte zu 2) eine MRT veranlassen müssen, um den Grund für die unerklärlichen Schmerzen des Klägers abzuklären. Eine adäquate Ursachenforschung fand nicht statt. Durch das Versäumnis des Beklagten zu 2) hat der Kläger bis heute und auch wahrscheinlich in der Zukunft erhebliche gesundheitliche sehr schmerzhafte, lebenseinschränkende Schäden erlitten.
Nach weiterem wochenlangem Leidensweg mit extremen Schmerzen suchte der Kläger eine andere Klinik auf, in der eine MRT der LWS mit Kontrastmittel durchgeführt und festgestellt wurde, dass der Kläger am L4/5 am Duralschlauch eine Nervenwasser-Liquor-Leckage hatte, genau an der zuvor operierten Stelle. Mit diesem MRT-Befund stellte sich der Kläger erneut beim Beklagten zu 2) in der Einrichtung der Beklagten zu 1) vor. Der Beklagte zu 2) hat sich den Befund und auch die MRT-Bilder angesehen. Er sagte daraufhin, dass er nicht bestätigen könnte, dass der Kläger eine Verletzung am Duralschlauch habe. Dennoch wurde auch vom Beklagten zu 2) ein unklarer Flüssigkeitsverhalt im OP-Gebiet nach endoskopisch-interlaminärer Dekompression L4/5 festgestellt. Der Beklagte zu 2) gab dem Kläger sodann eine Überweisung zur Neurochirurgie. Dort wurde die Diagnose Liquorfistel nach endoskopischer Dekompression einer Spinalkanalstenose in der Höhe L4/5 links bestätigt. Daraufhin kam es zu einer Laminektomie und Revision. Der Duralschlauch wurde wieder geschlossen.
Noch heute hat der Kläger extreme, starke, kaum auszuhaltende Schmerzen trotz vieler Medikamente. Es liegt eine eingeschränkte Beweglichkeit und damit einhergehend auch eine eingeschränkte Lebensqualität vor. Er kann keine bzw. nur sehr wenige Aktivitäten unternehmen. Der Kläger darf nichts mehr heben, was über 4 kg wiegt. Er benötigt ständig Hilfe. Es muss immer jemand da sein, der ihn unterstützt, insbesondere auch beim Anziehen, Heben, Tragen und bei der Körperpflege. Alle Bewegungen sind mit Schmerzen verbunden.
Der Kläger muss sich nun am Rollator fortbewegen. Trotz Schmerzen bei der Beweglichkeit muss er dies machen, um seine Muskeln zu trainieren. Nach wie vor hat der Kläger einen Harnverhalt und einen Dauerkatheter. Es liegen erhebliche Probleme beim Stuhlgang vor. Durch seine starken Nervenschmerzen kann der Kläger nicht genügend Druck ausüben, um normal seinen Stuhlgang abzuführen.
Den Beklagten wird vorgeworfen, dass die Operation nicht indiziert war. Konservative Behandlungsoptionen waren nicht ausgereizt und gescheitert. Ein operatives Vorgehen war nicht notwendig. Es hätte zu einer konservativen Behandlung kommen müssen. Zudem wurde die OP fehlerhaft vorbereitet und durchgeführt.
Verfahren:
Nach einem ausgedehnten Vorverfahren kam es zu einer mündlichen Beweisanhörung, in welcher der die Beteiligten und der Gutachter angehört wurden. Daraufhin schlug das Gericht einen Vergleich in Höhe von 10.000 € vor, welchem die Parteien nun innerhalb einer gesetzten Frist nähertreten können.
Anmerkung von Ciper & Coll.:
Aufgrund des Alters und des gesundheitlichen Zustandes des Klägers ist es manchmal, so wie im vorliegenden Fall, ratsam, einen Vergleich anzunehmen, auch wenn er der Höhe nach nicht den ursprünglichen Vorstellungen entspricht. Ein Prozess kann sich über Jahre hinweg ziehen und sehr belastend für den Kläger sein., erklärt Dr. DC Ciper, LLM.