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Landgericht Freiburg im Breisgau vom 08.10.2019 vom 08.10.19

Medizinrecht - Arzthaftungsrecht - Behandlungsfehler: Mangelhafte Aufklärung bei Sphinkterrekonstruktion, 15.000,- Euro, LG Freiburg, Az.: 1 O 281/16

Chronologie:
Die Klägerin stellte sich wegen einer leichten Stuhlinkontinenz am 02.02.2016 bei der Beklagten vor. Im Rahmen dieses Termins wurde der Klägerin geraten, eine Sphinkterrekonstruktion durchführen zu lassen. Zum Zwecke der Sphinkterrekonstruktion wurde die Klägerin schließlich am 07.02.2016 stationär aufgenommen. Am 08.02.2016 erfolgte die anteriore Sphinkterrekonstruktion. Am 11.02.2016 wurde die Klägerin aus der stationären Behandlung entlassen. Eine postoperative Visite und/oder eine Abschlussuntersuchung fanden nicht statt.
Am 15.02.2016 stellte sich die Klägerin erneut im Hause der Beklagten vor, da die Operationswunde nekrotisches Gewebe aufwies, welches umgehend entfernt werden musste. Dadurch entstand ein tiefes, dunkles Loch. Aufgrund der schlecht heilenden Operationswunde wurde die Klägerin erneut stationär aufgenommen. Am 16.02.2016 wurde eine weitere Operation durchgeführt, im Rahmen dieser wurde versucht, die defekte Stelle der Sphinkternaht aufzuspüren. Im Rahmen dieser Operation wurden weiteren Löcher im Darm festgestellt. Durch den dadurch austretenden Stuhl hat sich das herumliegende Gewebe entzündet und die Operationsnähte aufgeweicht. Im weiteren Verlauf wurde der Klägerin auf Dünndarm resorbierbare Kost umgestellt. In der Nacht vom 16.02.2016 auf den 17.02.2016 litt die Klägerin unter extrem starken Schmerzen. Trotz Schmerzmittel war sie nicht mehr in der Lage zu gehen. Dennoch erfolgte am 17.02.2016 keine Visite. Am Nachmittag des 17.02.2016 versuchte die diensthabende Ärztin den Aftermuskel mit dem Finger anzuregen, da die Klägerin schon längere Zeit keinen Stuhlgang hatte. Dabei schrie die Klägerin vor Schmerzen auf.
Am 18.02.2016 verschlechterten sich die Beschwerden der Klägerin zunehmend. Sie lag den ganzen Tag weinend im Bett, dennoch kam zunächst kein Arzt zur Visite. Erst auf erneute Nachfrage erschien gegen 17:30 Uhr ein Arzt. Dieser stellte fest, dass sich die Nähte erneut gelockert hatten und sich erneut Stuhl in der Wunde (Damm) befand. Am Folgetag, den 19.02.2016, wurde die Klägerin daher erneut operiert und ein Stoma angelegt. Am Samstag, den 20.02.2016 verschlechterte sich der Zustand der Klägerin erneut, da sie immer noch keinen Stuhlgang hatte. Auch am 21.02.2016 wurde die Klägerin nicht eingehend untersucht. Es wurde weder eine Stomakontrolle noch sonstige Untersuchungen vorgenommen, obwohl die Klägerin immer noch keinen Stuhlgang hatte. Auch die Folgetage waren für die Klägerin eine Qual. Stuhlgang stellte sich nach wie vor nicht ein. Untersuchungen wurden dennoch nicht vorgenommen. Sie litt unter Übelkeit, Völlegefühl und starken Schmerzen.
Die Klägerin leidet bis heute unter starken Schmerzen und ist durch das Stoma stark beeinträchtigt. Zwischen After und Scheide befindet sich ein großes Loch, der Enddarm ist durch Perforationen beschädigt. Hinzu kommt der Anus praeter, welcher der Klägerin Probleme bereitet. Darüber hinaus hat sie einen 13 cm langen vertikalen Bauchschnitt, der sicher noch lange Zeit Schmerzen bereiten wird. Nicht zu verachten ist ferner die optische Problematik im Hinblick auf die lange Narbe. Die Klägerin ist insgesamt stark beeinträchtigt. Sie darf maximal 5 kg heben, kann nicht in einem normalen Tempo gehen. Im Haushalt ist sie sehr eingeschränkt. Familienausflüge sind derzeit undenkbar. Auch die Sozialkontakte hat die Klägerin einstellen müssen, da durch das Stoma ständig unkontrollierbare Nebengeräusche entstehen. Ein Sexualleben gibt es nicht mehr. Auch ihre freiberufliche Tätigkeit als medizinische Fußpflegerin kann die Klägerin nicht mehr ausführen. Der GdB liegt bei 70.

Den behandelnden Ärzten der Beklagten wurde vorgeworfen, die dringend notwendige postoperative Wundversorgung nicht dem medizinischen Standard entsprechend durchgeführt zu haben. Nach der Operation vom 08.02.2016 fanden keine ärztlichen Visiten und keine ausreichende Verbandswechsel statt, sodass die Operationswunde nekrotisch wurde. Wäre bereits im Rahmen des ersten stationären Aufenthalts vom 07.02.2016 bis 11.02.20216 dem medizinischen Standard entsprechend eine ausführliche Wundsäuberung vorgenommen worden, wäre die Wunde nicht nekrotisiert. Die Folgeoperationen und insbesondere das Anlegen des Stomas wäre somit verhindert worden.
Darüber hinaus wurde die Aufklärungsrüge erhoben.

Verfahren:
Das vom Gericht in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten hat keine Behandlungsfehler bestätigt. Allerdings sah das Gericht die Möglichkeit einer Aufklärungspflichtverletzung als gegeben an.
Daraufhin schlossen die Parteien auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich. Danach hat die Beklagte an die Klägerin als Gesamtschadensausgleich einen Betrag in Höhe von EUR 15.000,00 zu zahlen.

Anmerkungen von Ciper & Coll.:
In vielen Arzthaftungsprozessen kommt es für den geschädigten Patienten nicht aus dem Grunde zu einem Erfolg, weil gutachterlich ein ärztlicher Behandlungsfehler konstatiert wurde, sondern weil den Ärzten ein Aufklärungsverschulden vorgeworfen wird, so wie hier. Im Ergebnis stehen Aufklärungsfehler mit den Behandlungsfehlern insoweit auf gleicher Stufe, so Rechtsanwältin Irene Rist und Rechtsanwalt Dr. D.C.Ciper LLM, beide Fachanwälte für Medizinrecht.

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