Medizinprodukterecht - Fehlerhafte Allergan - Brustimplantate, Vergleichsvorschlag, LG Magdeburg, Az.: 9 O 1362/22
Chronologie:
Der Klägerin wurden in 2016 Brustimplantate des Herstellers Allergan eingesetzt. Dabei wurde ihr zugesichert, dass die Implantate lebenslang halten sollten. Es entwickelten sich bei ihr in der Folge eine Kapselfibrose sowie Schmerzen und Druckgefühl. Da die Symptome denjenigen ähneln, die für die Krebsform ALCL aufgelistet worden sind, ließ sie sich die Implantate explantieren. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schmerzensgeld und Schadenersatz in deutlich fünfstelliger Höhe.
Verfahren:
Das Landgericht Magdeburg hat in dieser Angelegenheit einen ersten mündlichen Termin anberaumt und den Parteien aufgrund der vorliegenden Konstellation angeraten, sich auf eine pauschale Entschädigungssumme zu einigen. Diese Einigung hätte zur Folge, dass eine anderenfalls aufwändige Beweisaufnahme obsolet würde.
Anmerkungen von Ciper & Coll:
Auch in diesem Verfahren haben die Rechtsvertreter von Allergan, wie aus Parallelfällen bekannt, versucht die Karzinomgefahren der aggressiven Karzinomform ALCL zu bagatellisieren. Generell lautet auch das Credo immer, die vom Hersteller Ende 2018 erfolgte Rückrufaktion sei lediglich durch den Ablauf der CE-Zertifizierung bedingt gewiesen. Gerne verschweigt Allergan dabei aber, dass der Ablauf gerade seinen Grund darin hatte, dass der Zertifizierer, die CNE/G-MED mit Sitz in Paris sich weigerte, diese Allerganprodukte weiter zu zertifizieren. Diese Zertifizierung ist Voraussetzung dafür, dass die Produkte überhaupt vertrieben werden dürfen.
Die Fachwelt sieht das indes anders: Die FDA (Food and Drug Administration in den USA) berichtete etwa im August 2020 über Daten zum BIA-ALCL mit derzeit weltweit 733 Erkrankungs- und 36 Todesfällen. In 620 der Fälle (85%) und in 15 von 16 Todesfällen, in denen das Implantat bekannt war, kamen Allerganimplantate zum Einsatz. In 68 % waren texturierte Implantate verwendet worden. Eine aktuelle Pressemitteilung des BfArM, der bundesdeutschen Aufsichtsbehörde für Medizinprodukte weist bereits 43 bestätigte Karzinome aus, die auf die eingesetzten Implantate zurückzuführen sind. Experten sprechen darüber hinaus von einer Dunkelziffer, die um das zehnfache höher liegt, mit steigender Tendenz.
Zwar stellt sich das Risiko im Verhältnis zu der Anzahl der vorgenommenen Implantationen als eher gering dar, es lässt sich aber nicht, wie von Allergan gerne gesehen, völlig unter den Tisch kehren. Damit ist durchaus nachvollziehbar, dass sich Betroffene dieser, wenn auch geringen, Gefahr nicht weiter aussetzen wollen, das Implantat entfernen lassen und sich die hierdurch entstehenden Kosten von Allergan ersetzen lassen wollen. Der psychische Leidensdruck ist selbst in denjenigen Fällen, in denen sich noch keine gesundheitliche Schädigung realisiert haben, erheblich und bedarf einer Kompensation, meint Dr DC Ciper LLM, Fachanwalt für Medizinrecht, Avocat au Barreau de Paris.