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Landgericht Nürnberg vom 21.06.2021 vom 20.06.21

Medizinrecht – Arzthaftungsrecht – Behandlungsfehler: Fehldiagnose einer Diskusruptur mit Ulna Impaction Syndrom, LG Nürnberg, Az.: 4 O 8245/18

Chronologie:
Die Klägerin ist nach dem Einkaufen auf Blitzeis vor der Haustür ausgerutscht und gestürzt. Unmittelbar nach dem Sturz wurden das linke Handgelenk und der linke Unterarm als auch die Hand dick und schmerzten. Sie stellte sich daraufhin einer Klinik vor. Dort wurde eine Röntgenaufnahme gefertigt und der Klägerin mitgeteilt, dass man aufgrund der starken Schwellung nicht viel sehen könne.
Schließlich wurde ein MRT bei der Beklagten durchgeführt. Dort wurde befundet:

„unauffälliges Signalverhalten der knöchernen Strukturen im Untersuchungsgebiet. Regelrechte Artikulation im Radiokarpalgelenk, im Karpometakarpalgelenk sowie im Daumensattelgelenk, keine vermehrte Gelenkflüssigkeit. TFCC-Komplex/Discus triangularis unauffällig, homogen signalgebend. SL-Band, radiale und ulnarseitige Seitenbänder regelhaft dargestellt. Weichmantel unauffällig, Flexoren- und Extensorensehnenloge regelrecht. Keine höhergradigen Knorpelauffälligkeiten. Beurteilung: Unauffälliges Handgelenks-MRT, kein Hinweis auf ligamentäre, ossäre, chondrale oder weichteildichte Pathologien.“

In der Folgezeit stellte sich die Klägerin bei einem Facharzt für (Hand-)Chirurgie, Dieser empfahl der Klägerin aufgrund ihres MRT-Befundes des Beklagten zur Ergotherapie. Dem Rat folgend machte die Klägerin rund 30 Sitzungen Ergotherapie, welche ihr aber weiterhin nur Schmerzen bereiteten. Da sich die Beschwerden nicht besserten, stellte sich die Klägerin schließlich bei einem weiteren Handchirurgen vor. Dieser stellte die Diagnose einer Diskusruptur mit Ulna Impaction-Syndrom, eine komplette SL-Bandruptur und eine Tendovaginitis stenosans de Quervain Handgelenk links und führte deshalb eine Handgelenksspiegelung und arthroskopische Therapie durch.

Die Klägerin leidet bis heute unter starken Schmerzen sowie einer Schwellung und einer Funktionsbeeinträchtigung der linken Hand und des linken Handgelenks.
Sie kann sich beispielsweise nicht mehr auf der linken Hand auf- oder abstützen. Bei vielen Bewegungen der Finger bekommt sie eine Schwellung am ulnarseitigen distalen Unterarm. Die Funktionsbeeinträchtigung des linken Handgelenkes wird sich voraussichtlich auch in Zukunft nicht bessern. Ferner hat die Klägerin Probleme mit der Feinmotorik an der linken Hand. Wenn sie kleinere Sachen greifen oder nehmen möchte, hat sie das Gefühl, als würden Stromschläge durch das Handgelenk fahren. Die linke Hand kann sie nicht nach dorsal extendieren. Auch das Umblättern von Seiten ist ihr mit der linken Hand nicht möglich. Aufgrund ihrer vorbestehenden Gehbehinderung muss sich die Klägerin auch beim Treppensteigen mit beiden Händen festhalten und nach oben ziehen, was ihr links praktisch nicht mehr möglich ist. Auch Alltagstätigkeiten, wie Kochen oder Zwiebelschneiden, sind ihr nur deutlich eingeschränkt möglich, da sie das linke Handgelenk nicht ausreichend bewegen kann. Sie trägt eine Handgelenksorthese links, die dorsal und palmar mit einer Metallschiene verstärkt ist. Diese muss sie fast ständig tragen.
Seit der Operation ist sie arbeitsunfähig und kann ihrer Arbeit im Versorgungsamt im Ärztlichen Dienst nicht mehr nachgehen. Das Bedienen einer PC-Tastatur ist ihr nicht mehr möglich aufgrund der Bewegungseinschränkung, insbesondere der Dorsalextension. Im Dezember 2016 wurde der Klägerin die volle Erwerbsminderungsrente zugeteilt – rückwirkend zum 01.04.2016 -.

Der Beklagten ist vorzuwerfen, das MRT falsch ausgewertet zu haben. Auf den Aufnahmen ist ein Defekt des dreieckförmigen Faserknorpels gut sichtbar. Ferner zeigen sich Pathologien des Discus triangularis. Die Dorsalverkippung des OS Lunatum bei zumindest subtotaler Ruptur des dorsalen und gelenkseitiger Teilruptur des palmaren scapholunatären Bandes wurden ebenso, wie die Rupturzeichen am Ligamentum radioulnare dorsale und an der Sehne des Musculus extensor pollicis longus nicht erkannt.

Diagnoseirrtümer sind zwar regelmäßig keine Behandlungsfehler,  anders ist dies jedoch dann, wenn wie vorliegend ein klares Krankheitsbild nicht erkannt wird und/oder auf Nichterheben elementar gebotener Kontrollbefunde und/oder mangelnder Abklärung von Verdachtsdiagnosen beruht, vgl. BGH VersR 94,52 und BGH VersR 95,46.

Das Übersehen der bei der Klägerin vorliegenden Befunde ist aus fachradiologischer Sicht nicht mehr nachvollziehbar, da die pathologischen Befunde eindeutig, trotz fehlender bzw. gering ausgeprägter, typisch zu erwartender Begleitzeichen zu erkennen waren. Auch die DISI-Instabilität wurde fehlerhaft nicht erkannt.

Verfahren:
Das Landgericht Nürnberg stellte fest, dass auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens, welches in einem die Klägerin betreffenden Parallelverfahren eingeholt wurde, von einem Behandlungsfehler auszugehen sei. Allerdings blieb noch offen, wie gravierend der Fehler war und inwieweit hieraus Schäden für die Klägerin resultieren. Das Gericht unterbreitete den Parteien daraufhin einen Vergleichsvorschlag, dem die Parteien nähergetreten sind. Die Gesamtschadensposition liegt im deutlich fünfstelligen Bereich.

Anmerkungen von Ciper & Coll.:
Fehldiagnosen durch die Behandlerseite stellen im juristischen Sinne oftmals grobe Behandlungsfehler dar, mit anderen Worten, sie sind schlechterdings nicht nachvollziehbar und dürfen nicht passieren. Als Folge eines festgestellten groben Behandlungsfehlers erleichtern sich die Beweislastregeln zugunsten der geschädigten Patienten bis hin zur Beweislastumkehr, hat der Bundesgerichtshof klargestellt. Das kommt den Patienten in einem Arzthaftungsprozess natürlich zugute und führt in der Regel zu einem Prozesserfolg, so Rechtsanwältin Irene Rist und Rechtsanwalt Dr. D.C.Ciper LLM, beide Fachanwälte für Medizinrecht.

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