Medizinrecht – Arzthaftungsrecht – Behandlungsfehler: 100.000,00 € Schmerzensgeld wegen Nichterkennens eines Mundhöhlenkarzinoms
Sachverhalt:
Klägerin war vorliegend die Witwe des verstorbenen Betroffenen. Der Erblasser hat sich im Sommer 2018 auf der rechten Seite ständig in die Zunge gebissen. Er vermutete eine Herpeserkrankung der Zunge und suchte sodann seine Hauszahnarztpraxis, die Beklagte zu 1), auf. Diese sah die Ursache allerdings in dem Fehlen des gegenüberliegenden Zahnes im Mund des Klägers und wollte ein Implantat einsetzten. Der Kläger beschloss jedoch, sich zunächst eine zweite Meinung bei der Beklagten zu 3) einzuholen. Als er dort vorstellig wurde, wurde allerdings nur auf das geplante Implantat eingegangen, keinesfalls jedoch auf die konkreten Beschwerden des Klägers. Als sich das Krankheitsbild in den Folgemonaten immer weiter verschlechterte, begab sich der Erblasser verzweifelt zu einem Hautarzt, der schließlich eine Biopsie der Zunge durchführte. Das Ergebnis dieser Biopsie lautete Mundhöhlenkarzinom der rechten Seite der Zunge. Trotz umfangreichen Bemühungen und einer Teilamputation der Zunge verstarb der Kläger infolge der massiv ausgedehnten Krebserkrankung.
Chronologie:
Das Landgericht Amberg ließ die Angelegenheit mittels eines fachmedizinischen Sachverständigengutachtens hinterfragen. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass in dem Nichterkennen einer tumorverdächtigen Veränderung, beziehungsweise die ausbleibende Reaktion auf einen nicht innerhalb weniger Wochen abgeheilten Befund wie im vorliegenden Fall ein grober Behandlungsfehler zu sehen ist. Die Beweislast lag sodann auf Beklagtenseite. Das Gericht schlug den Parteien anschließend den folgenden Vergleich vor: Die Beklagten zu 1) und 3) zahlen gesamtschuldnerisch einen Schmerzensgeldbetrag i.H.v. 100.000,00 € an die Klägerin. Diesem Vorschlag traten alle Parteien näher.
Anmerkungen von Ciper & Coll.:
Grundsätzlich obliegt die Beweislast für Behandlungsfehler dem Kläger. Dadurch, dass der Sachverständige das Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers bejaht hat, kam es allerdings zu einer Umkehr der Beweislast zu Gunsten der Klägerin, vgl. § 630h Abs.5 BGB. Aufgrund der vorliegenden extrem schwerwiegenden Folgen des Behandlungsfehlers war eine hohe Schmerzensgeldsumme absolut erforderlich, erläutert Dr. DC Ciper, LLM.