Medizinrecht – Arzthaftungsrecht – Behandlungsfehler: 78.000,00 € Schmerzensgeld nach Verwechslung einer Sehnenruptur mit einem Muskelfaserriss
Sachverhalt:
Der Kläger zog sich im Rahmen eines Arbeitsunfalles eine Verletzung am Oberschenkel zu. Als er sich in einer durchgangsärztlichen Praxis vorstellte, wurde ihm dort nach kurzer Sichtkontrolle des sich gänzlich bis in die Kniekehle blau verfärbten Oberschenkels ein Muskelfaserriss diagnostiziert. Ohne weitere Abklärung wurde ihm sodann ein Zinkleimverband angelegt. Auf die Nachfrage des Klägers, ob dieser seinen geplanten Sommerurlaub im Ausland dennoch antreten könne, teilten die behandelnden Ärzte dem Kläger ihr uneingeschränktes Einverständnis mit. Tatsächlich verschlimmerten sich die Beschwerden des Klägers jedoch während jenes Urlaubs stetig. Nach Beendigung des Urlaubs stellte er sich bei einer anderen Arztpraxis vor, wo schließlich nach umfangreichen Befunderhebungsmaßnahmen die zutreffende Diagnose einer Sehnenruptur gestellt wurde. Durch die falsche Diagnose trat eine relevante Behandlungsverzögerung beim Kläger ein, in deren Folge er heute unter Anderem nicht mehr dazu in der Lage ist, sein Bein richtig zu kontrollieren.
Chronologie:
Das Landgericht Mainz ließ die Angelegenheit mittels eines fachorthopädischen und fachchirurgischen Sachverständigengutachtens hinterfragen. In diesem wurde festgestellt, dass das Unterlassen der Sonographie beziehungsweise das nicht erfolgte Einleiten einer zeitnahen MRT-Untersuchung unmittelbar nachdem sich der Kläger erstmalig ärztlich vorstellte, einen groben Behandlungsfehler darstellt. Die erforderlichen Untersuchungen hätten ein reaktionspflichtiges Ergebnis gezeigt. Die Beweislast lag folglich auf Beklagtenseite, vgl. § 630h Abs.5 BGB. Ein Nachweis der Beklagtenseite, dass die erlittenen Schäden nicht auf dem Behandlungsfehler beruhen, ist allerdings nicht gelungen. Das Gericht schlug den Parteien sodann den folgenden Vergleich vor: Die Beklagte zahlt an den Kläger einen Schmerzensgeldbetrag i.H.v. 78.000,00 € zzgl. Rechtsanwaltskosten. Die Parteien traten diesem Vergleich näher.
Anmerkungen von Ciper & Coll.:
Vorliegend richtete sich die Klage des Klägers nicht - wie sonst üblich - gegen die durchgangsärztliche Praxis, in der er fehlbehandelt wurde, sondern gegen die Trägerin seiner Unfallversicherung. Der Kläger verfolgte das Ziel gerichtlich feststellen zu lassen, dass diese verpflichtet ist, ihm sämtliche aus der Fehlbehandlung resultierenden materiellen Schäden für Zukunft und Vergangenheit sowie die nicht vorhersehbaren immateriellen Zukunftsschäden zu ersetzen, was vorliegend auch gelang, erläutert Dr. DC Ciper, LLM.