Medizinrecht - Arzthaftungsrecht - Behandlungsfehler: Verspätete Behandlung eines akuten Herzinfarktes mit Todesfolge, 1 Mio. Euro, Corte d'Appello di Trento, 97/2020 R.G.
Chronologie:
Die Klägerin, selber Ärztin, litt Ende 2005 während des Urlaubs in Südtirol an Herzbeschwerden und suchte daher umgehend eine Klinik vor Ort auf. Trotz Notfallindikation erfolgte keine rasche Behandlung. In der Folge war eine Not-Bypass-Operation erforderlich, bei der es zu einer Hauptstamm Dissektion (Einriss der Koronararterie) kam. Seit dem Vorfall war die Klägerin gesundheitlich beeinträchtigt und verstarb einige Zeit später an den Folgen.
Verfahren:
In der Sache war zunächst das Tribunale di Bolzano (Landgericht Bozen) mit der Klage befasst und hatte diese am 17.12.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen zog die Klägerin in Berufung vor den Corte
d'Appello di Trento (Oberlandesgericht Trient) und erzielte eine Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung. Es wurden rund 800.000,- Euro zugesprochen. Die Beklagte zog daraufhin mittels Revision zum
Corte di Cassazione (Kassationshof) in Rom, das das Verfahren zu einer erneuten Hinterfragung zurück an den Corte d'Appello verwies. In der jetzt vorliegenden 53seitigen Entscheidung stellt das Gericht nochmals die grobe Fehlerhaftigkeit und die Pflicht zur Entschädigung durch die Beklagte heraus. Die Gesamtschadensumme inklusive der Prozess- und Anwaltskosten, die die Beklagte nun zu zahlen hat, liegt bei rund 1 Mio Euro.
Anmerkungen von Ciper & Coll.:
Rund achtzehn Jahre nach dem streitgegenständlichen Vorfall hat das in Italien anhängige Zivilverfahren nun mit der Zusprechung einer Millionensumme für die Angehörigen der verstorbenen Patientin seinen Abschluss gefunden! Wofür die deutsche Rechtsprechung nur wenige tausende Euro Schadenersatzansprüche vorsieht, sehen Rechtsordnungen in anderen Ländern das ganz anders: Und hierfür ist nicht einmal ein Blick ins anglo-amerikanische Rechtssystem erforderlich. Der nun rechtskräftig abgeschlossene Rechtsstreit zeigt auf, dass eine Schädigung, die zum Tode eines Menschen führt, durchaus Millionenansprüche auslösen kann. Die deutsche Rechtsprechung täte gut daran, einmal über den Tellerrand hinaus zu blicken und sich an derartigen Schadenzumessungen zu orientieren und ein Beispiel zu nehmen, meint Dr. D.C.Ciper LLM,
Rechtsanwalt und Avvocato stabilito Milano.